Die unterschiedlichen Standards zur Inhaltsmoderation auf Plattformen wie X, Facebook oder Kick sorgen für zunehmende Spannungen in der Creator-Szene. Besonders marginalisierte Gruppen – darunter Frauen, queere Creator und People of Color – sehen Twitch zunehmend als digitalen Zufluchtsort, in dem sie sich sicher und unterstützt fühlen.
Twitch als bewusste Wahl für Sicherheit und Community
Creator Joseph „Halfmoonjoe“ Birdsong, selbst schwul und mit einem überwiegend weiblichen und queeren Publikum, konzentriert seine Aktivitäten mittlerweile fast ausschließlich auf Twitch. Andere Plattformen wie X hat er bewusst verlassen – aus Frust über deren immer geringere Moderation. Vier Creator bestätigten gegenüber Digiday, dass sie Twitch als die derzeit einladendste Plattform für marginalisierte Communities empfinden – vor allem wegen der klaren Moderationspolitik.
„Ich fühle mich auf Twitch sicherer als auf anderen Plattformen“, so Birdsong.
Alternative Plattformen verlieren Vertrauen
Im Gegensatz dazu stehen Plattformen wie Kick, die sich zunehmend den Ruf einhandeln, bei problematischen Inhalten wegzusehen. Auch YouTube und TikTok bieten zwar Reichweite für vorproduzierten Content, aber beim Livestreaming fehlt es vielen an verlässlicher Moderation – insbesondere im Chatbereich, wie der farbige Creator Gappy anmerkt:
„Es bringt nicht viel, auf Plattformen zu streamen, auf denen man kaum die Kontrolle über den Chat hat.“
Twitch investiert gezielt in Sicherheitsfeatures
Während Plattformen wie X und Facebook ihre Moderationsteams zurückfahren oder ganz abschaffen, geht Twitch den entgegengesetzten Weg. Zuletzt wurden neue Moderatorentools eingeführt, darunter eine benutzerfreundlichere Einstellungsseite und die Erweiterung der mobilen Moderation auf Android-Geräte.
Sakina Arsiwala, VP für Community-Gesundheit bei Twitch, betont:
„Unsere Streamer – egal, wie sie sich identifizieren – schätzen es, Tools zur Verfügung zu haben, mit denen sie sich ihren digitalen Raum selbst gestalten können. Das schafft ein echtes Gefühl von Sicherheit.“
Zahlen, die für sich sprechen
Laut Twitch nutzen über 80 % der aktiven Channels Tools wie den „Shield Mode“, der vordefinierte Sicherheitsfunktionen bietet. Auch das automatische Moderationstool „AutoMod“ ist bei mehr als 80 % der Kanäle im Einsatz. Das ist ein enormer Anstieg – 2022 lag die Nutzung von Moderationstools noch bei nur 20 %.
Funktionen wie das Einschränken des Chats auf Follower oder Abonnenten, das Verzögern von Nachrichten oder das Filtern bestimmter Wörter machen es für Creator leichter, ihre Community zu schützen.
Von der Kritik zur Akzeptanz
Noch vor einem Jahr war Twitch wegen sogenannter „Hate Raids“ – konzertierte Angriffe mit Hassnachrichten – massiv in der Kritik. Gerade marginalisierte Creator forderten besseren Schutz. Ein offener Brief von Schwarzen Streamern 2022 markierte einen Wendepunkt. Einer der Unterzeichner, Robert „Novanagi“ Spencer, sagt heute:
„Seitdem wurde ich nicht mehr Opfer von Hate Raids oder Follow-Bots. Dank der neuen Moderationstools ist das kein Thema mehr.“
Auch der queere, Schwarze Streamer Blizzb3ar meint:
„Hättest du mich letztes Jahr gefragt, hätte ich gesagt: ‚Die Moderationstools sind neu, aber nicht besonders gut.‘ Jetzt? Alles okay.“
Marken erkennen den Wert (noch) nicht
Trotz all dieser Fortschritte spielt Twitch seine moderationsbedingte Sicherheit kaum als Verkaufsargument gegenüber Werbekunden aus. Zwei Media-Buyer erklärten gegenüber Digiday, dass Marken aktuell weniger auf „Brand Safety“ achten als auf Performance und Reichweite.
Max Bass von der Agentur Gale bringt es auf den Punkt:
„Ich glaube nicht, dass Kunden wirklich den Unterschied wahrnehmen, den Twitch für Creator macht. Sie schauen eher auf Reichweite, Zielgruppen und messbare Ergebnisse.“
Fazit: Während andere Plattformen beim Thema Sicherheit sparen, baut Twitch weiter aus – und wird so zum vertrauenswürdigen Ort für Creator, die Schutz und Selbstbestimmung suchen. Ob sich das auch bald stärker im Werbemarkt widerspiegelt, bleibt offen.