Meta sorgt erneut für Schlagzeilen: Der Tech-Gigant hat wesentliche Änderungen an seinen Richtlinien zur Inhaltsmoderation und Faktenprüfung angekündigt – mit weitreichenden Folgen für Nutzer, Content Creator und Marketer. Während Instagram-Chef Adam Mosseri versichert, die Anpassungen würden „weniger Fehler“ bei der Löschung von Inhalten und Konten bedeuten, wächst die Sorge über mögliche Risiken durch Desinformation, Hassrede und die Sicherheit der Plattformen.
Ein neuer Kurs: Was ändert sich bei Meta?
Die von Meta-CEO Mark Zuckerberg angekündigten Änderungen betreffen vor allem Instagram, Facebook und Threads – insbesondere in den USA. Im Zentrum stehen Lockerungen bei der Moderation kontroverser Inhalte und die Abschaffung unabhängiger Faktenchecker.
1. Abschaffung unabhängiger Faktenchecker
Meta ersetzt seine bisherigen Partnerschaften mit professionellen Faktenprüfern durch ein „Community Notes“-System, das sich am Modell von X (ehemals Twitter) orientiert. Künftig sollen Nutzer selbst Kontext und Korrekturen zu potenziell irreführenden Inhalten hinzufügen – ein Schritt, der die Verantwortung für die Faktenprüfung teils auf die Community verlagert.
2. Lockerung der Inhaltsmoderation
Themen wie Einwanderung, Geschlechtsidentität und Wahlen dürfen künftig freier diskutiert werden. Meta argumentiert, diese Themen seien essenziell für den politischen Diskurs und müssten daher weniger restriktiv moderiert werden.
3. Anpassung der Richtlinien zu Hassrede
Besonders umstritten: Meta lockert seine Regeln zu Hassrede. Inhalte, die Minderheiten diffamieren oder diskriminierende Stereotype verbreiten – wie etwa Verbindungen zwischen Ethnie oder Geschlecht und psychischen Erkrankungen – sind künftig unter bestimmten Umständen erlaubt. Zudem wurde die bisher bestehende Verknüpfung zwischen Hassrede und offline stattfindender Gewalt aus den Richtlinien entfernt.
4. Illegale Inhalte bleiben tabu
Trotz der Lockerungen versichert Meta, dass Inhalte im Zusammenhang mit Drogen, Waffen oder Kindesmissbrauch weiterhin strikt entfernt werden.
Zwischen Meinungsfreiheit und Verantwortung: Die Reaktionen sind gespalten
Die Ankündigung hat eine Welle gemischter Reaktionen ausgelöst. Während Befürworter den Schritt als Stärkung der Meinungsfreiheit feiern, warnen Kritiker vor einem Anstieg von Desinformation, Hassrede und Mobbing.
Kritik von NGOs und Aktivisten
Organisationen wie GLAAD bezeichnen Metas neue Richtlinien als Gefahr für marginalisierte Gruppen. Sarah Kate Ellis, CEO von GLAAD, warnt:
„Mit der Abschaffung der Faktenprüfungsprogramme und dem Aufweichen der Hassrede-Richtlinien macht Meta seine Plattformen zu unsicheren Orten – für Nutzer und Werbetreibende gleichermaßen.“
Auch Ian Russell, Vorsitzender der Molly Rose Foundation, zeigte sich besorgt. Seine Tochter kam nach dem Konsum schädlicher Inhalte auf Instagram ums Leben.
„Metas Rückzug aus der proaktiven Moderation gefährdet die Sicherheit der Nutzer – besonders die von Kindern.“
Marketer im Zwiespalt
Für Marken und Influencer-Marketer entstehen neue Herausforderungen. Während Meta nach wie vor eine gigantische Reichweite von über 3,29 Milliarden täglich aktiven Nutzern bietet, wächst die Sorge um Brand Safety. Werbekunden müssen künftig stärker darauf achten, dass ihre Inhalte nicht in problematischem Umfeld erscheinen.
Zudem könnte die steigende Anzahl politischer Inhalte – die nun wieder aktiver empfohlen werden – die Plattformen polarisieren und Nutzer vertreiben. Erste Google-Suchtrends zeigen bereits ein erhöhtes Interesse an Alternativen zu Facebook und Instagram, darunter Plattformen wie Mastodon und Bluesky.
Europa setzt Grenzen: Der Digital Services Act als Schutzschild
Während die neuen Richtlinien vorerst nur in den USA gelten, hat die Europäische Kommission Meta bereits klargemacht: In der EU gelten strengere Regeln. Der Digital Services Act (DSA) verpflichtet Plattformen mit über 45 Millionen monatlichen Nutzern zu umfassenden Risikobewertungen, Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktencheckern und regelmäßigen Audits.
Frankreichs Ministerin für Künstliche Intelligenz und Digitales, Clara Chappaz, erklärte:
„In Europa wird der DSA strikt eingehalten. Eine Einführung des Community-Notes-Systems ohne vorherige Genehmigung ist ausgeschlossen.“
Zuckerberg wiederum kritisierte die europäischen Vorschriften als innovationsfeindlich und stellte eine enge Zusammenarbeit mit dem neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump in Aussicht, um gegen „Zensurgesetze“ weltweit vorzugehen – eine Ansage, die in Brüssel auf wenig Verständnis stößt.
Was bedeutet das für Content Creator und Marketer?
Für Content Creator und Influencer-Marketer in den USA bedeuten die Änderungen vor allem mehr Freiheit bei politischen Inhalten. Instagram-Chef Adam Mosseri versprach:
„Ihr müsst euch keine Sorgen mehr machen, dass euer Account nicht empfohlen wird, nur weil ihr regelmäßig über Politik postet.“
Doch mit der neuen Freiheit steigt auch das Risiko:
- Steigende Desinformation könnte Marken in Verruf bringen.
- Veränderte Nutzerpräferenzen könnten zu einem Exodus auf andere Plattformen führen.
- Plattformübergreifendes Community-Management wird komplexer, da jede Plattform eigene Moderationsregeln verfolgt.
Für europäische Creator bleibt hingegen vorerst alles beim Alten – der DSA schützt hier weiterhin vor einer zu laschen Moderation.
Fazit: Ein Balanceakt zwischen Freiheit und Verantwortung
Metas Kurswechsel hat die Debatte um Meinungsfreiheit, Desinformation und Verantwortung im Netz erneut angeheizt. Während einige Nutzer und Content Creator die gelockerten Regeln als Chance für mehr Diskurs sehen, warnen Kritiker vor einem Rückfall in chaotische Zustände mit Hassrede und Falschinformationen.
Für Marketer und Influencer bedeutet diese Entwicklung:
- Brand Safety muss stärker priorisiert werden.
- Plattformdiversifizierung gewinnt an Bedeutung.
- Politische Inhalte werden wieder wichtiger – allerdings mit erhöhtem Risiko.
Eines ist klar: Meta setzt auf maximale Reichweite, auch wenn dies mit gesellschaftlichen Risiken einhergeht. Für Marken und Nutzer stellt sich nun die Frage: Wieviel Freiheit ist zu viel?